Donnerstag, 16. Juni 2022

Crazy Stupid First Love [Rezension]

Charlie sticht heraus: Er ist nicht nur der einzige Jugendliche in der Kleinstadt, der nicht von seinen reichen Eltern verwöhnt wird und der daher als Nebenjob putzen geht, um sich genug Geld fürs College zusammenzusparen. Er ist außerdem schwul, und das wohl als einziger in seiner Schule. Bis Dax mit seiner Familie nach New Ashton zieht, wobei seine und Charlies erste Begegnung eher unglücklich verläuft – oder? 

Sam Emerson erzählt in seinem Debutroman eine queere Jugendgeschichte über Liebe, Freundschaft, Familie

 

Leider muss ich direkt vorab sagen, dass mir das Buch nicht besonders gut gefallen hat. Die Grundidee klang nicht unglaublich neu und außergewöhnlich, aber auch nicht schlecht, und ich denke, die Idee hatte viel Potenzial. An der Umsetzung habe ich jedoch einige Kritikpunkte. 


Während sich das Buch zwar prinzipiell schnell lesen ließ, weil der Schreibstil einfach und unkompliziert war, war er mir zu einfach, zu plump und zu vulgär. Das ist vermutlich absolut geschmacksabhängig und ich erwarte bei einem Jugendroman auch keine poetischen lange Sätze mit reichlich Stilmitteln. Aber die Kombination aus einer recht großen Menge an „Schimpfwörtern“/ vulgären Ausdrücken und in der Regel sehr kurzen Sätzen konnte mich dann eben doch nicht überzeugen.


Zudem fand ich einiges, was in diesem Buch passiert ist und beschrieben wurde, unrealistisch. Fangen wir mit Old Ashton an, dem „winzigen Ort“, in dem Charlie lebt, und in dem außer ihm anscheinend nur superreiche Menschen in superteuren Villen wohnen, weil es so unglaublich günstig ist dort zu bauen und wohnen. Es gibt noch nicht mal andere Menschen, die Putzjobs übernehmen, weshalb Charlie quasi der Einzige im Ort ist, der bei den Reichen putzt. Also ich habe noch nie gehört, dass superreiche Menschen 

1. besonders viel Wert darauf legen, in eine sehr günstige Gegend zu ziehen (eher das Gegenteil – oder sie sind eben doch nicht so reich und nutzen die günstigen Grundstückspreise um umso teurer bauen zu können (was hier aber wohl eher nicht der Fall ist))

2. und dann für eine Stunde in der Woche einen Jugendlichen engagieren und ihm 150 Dollar bezahlen, damit er 3 Zimmer in ihrer Riesenvilla putzt (ja, Charlie muss tatsächlich nicht das ganze Haus putzen, sondern nur ein paar Räume - zumindest in dem Haus, wohin wir ihn im Buch begleiten: „Ich soll im Wohnzimmer Staub wischen, die Küche und das Badezimmer putzen sowie die Betten beziehen“), weil es 

3. keine anderen Putzkräfte vor Ort gibt und dieser besagte Jugendliche besonders wegen seiner „Diskretion“ weiterempfohlen wird.

Ja, allein diese Situation habe ich jetzt ziemlich ausgeschlachtet, aber hier hat für mich das Kopfschütteln nun mal schon angefangen.

Auch im Laufe des Buchs ergeben sich immer wieder Situationen und Erklärungen, die offensichtlich dazu dienen, die Geschichte voranzubringen, die aber alles andere als nachvollziehbar, realistisch oder natürlich wirken.


Kommen wir zur Liebesgeschichte – immerhin steht das Kennenlernen, Verlieben und die Beziehung von Charlie und Dex im Zentrum des Buchs. Wer war nochmal Charlie? Und wer war Dex? Abgesehen von der Kennenlernszene, die zugegebenermaßen ziemlich filmreif war, habe ich schon wieder so ziemlich alles vergessen, was über die beiden erzählt wurde … falls das überhaupt so viel war. Jedenfalls nicht genug, als dass ich hätte nachvollziehen können, weshalb sich die beiden ineinander verlieben und plötzlich zusammen sind. (Abgesehen davon, dass sie wohl die einzigen (geouteten) queeren Jungs an ihrer Schule sind). Gefühle sind da bei mir jedenfalls nicht aufgekommen und ich habe da auch nichts zwischen den beiden spüren können.


Abgesehen von Der und Charlie gab es natürlich noch einige andere Charaktere - zum Beispiel Charlies beste Freundin Astrid, die vermutlich meine liebste Person im Buch war. Aber auch den ein oder anderen weiteren Nebencharakter fand ich - wenn auch nicht besonders detailliert ausgearbeitet - eigentlich ganz cool.


Last but not least möchte ich auf das Potenzial eingehen, welches das Buch, wie anfangs erwähnt, meiner Meinung nach hätte haben können, was jedoch nicht ausgeschöpft wurde. Man könnte Charlies Situation als eine Art modernes Cinderella-Setting sehen. Seine Mutter ist tot, sein Vater lebt zwar noch, ist aber kaum zuhause und interessiert sich nicht gerade für seinen Sohn, und Charlie lebt vor allem mit seiner Stiefmutter Maggie (Hallo Misogynie und Sexismus an dieser Stelle – denn das war die Weise, in der Maggie als unsympathisch dargestellt wurde, definitiv) und den „bösen“ Stiefbrüdern zusammen. Coole Idee, denn ich mag „Retellings“, oder wenn generell Elemente aus beispielsweise Märchen in moderner Weise umgesetzt werden. In der Umsetzung war aber auch die Familiengeschichte, genau so wie die Liebesgeschichte, super oberflächlich und wurde dann am Ende auch ziemlich schnell abgehandelt. (Wobei das Buch auch nicht als "Retelling" vermarktet wird, weshalb ich ihm das eigentlich nicht vorhalten kann).

So konnte mir dieses Buch leider überhaupt nichts bieten, was man nicht schon in vielen anderen Büchern hat lesen können.


Ich kann in dieser Rezension nicht auf all das eingehen, was ich zu dem Buch sagen könnte, sondern habe mir das herausgesucht, was mich am meisten gestört hat und was mir eine Woche, nachdem ich das Buch gelesen habe, wieder sofort in den Kopf kommt, wenn ich daran denke.


 

Titel: Crazy Stupid First Love

Autor: Sam Emerson

Seiten: 207 Seiten

Preis: 9,99 € (Taschenbuch), kostenlos bei Kindle Unlimited

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Danke an mainwunder für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars